Bei uns in Mitteleuropa ist gerade der Hochsommer im vollen Gange.
Heiße Badetage, kühle Getränke, laue Sommerabende mit lauten Grillfesten oder Chillen am Balkon oder Garten und Tropennächten, wo die Temperatur nicht unter 20°C abkühlt. Aber natürlich auch heftige Gewitter, Hagel, Überflutungen und Murenabgänge gehen mit den sommerlichen Freuden einher.
Und diese Wetterkapriolen bringen mich zum derzeit schlimmsten Frost in Brasilien seit 1994. Die Schädigungen der Frostnächte, die vor wenigen Tagen in 3 Kaffeeregionen Ihr Unheil getrieben haben - Paraná, São Paulo und Minas Gerais – sind bei Weitem noch nicht klar abzuschätzen. Die Auswirkungen werden uns aber nicht nur bei der Ernte 2021/22, sondern die nächsten Jahre beschäftigen und die Erntemenge drastisch verringern.
Viele Fotos von verzweifelten Bauern aus Brasilien kursieren derzeit in den sozialen Netzen und den Medien. Braun gewordenes Blattkleid der Kaffeesträucher erinnert an die herbstlich gewordene Gartenhecke. Doch Pflanzen wie der Kaffeestrauch sind Temperaturen unter dem Gefrierpunkt nicht gewohnt. Vor allem die jungen Triebe der Sträucher sterben ab.
Um die Auswirkungen von solchen Naturkapriolen zu verstehen, muss man folgendes Wissen:
Die Jungpflanzen, die auf den Plantagen unter Sonnensegeln geschützt herangezogen werden und maximal 2-3 Jahre alt sind – also noch nie Früchte getragen haben – sind durch den Frost gestorben. Diese Pflänzchen, die zum ständigen Erneuern der bestehenden Plantagen dienen, müssen erneut herangezogen werden.
Die älteren Pflanzen, die vom Frost betroffen sind, werden stark geschwächt. Sie verlieren die Blätter auf den jungen Trieben und müssen stark zurückgeschnitten werden. Dazu muss man erklären, dass die Früchte immer auf den jungen Trieben im 2.ten Jahr heranreifen. Also liegt klar auf der Hand, dass nicht nur heuer, sondern auf alle Fälle auch kommendes Jahr die Auswirkungen des Frostes spürbar sein werden.
Es ist definitiv viel zu früh, um wirklich den Schaden zu beziffern, aber man geht derzeit von bis 7 Millionen Säcken Ernteverlust aus in der Ernteperiode 21/22. Das klingt dramatisch und ist es auch, wenn man den 2 Jahreszyklus der Erntemenge in Brasilien bedenkt. Die bevorstehende Ernte 2021/2022 wurde bereits mit einer geringeren Menge im Vergleich zur vorherigen Ernte prognostiziert. Dies liegt daran, dass die Pflanze einen zweijährigen Pflanzzyklus hat, mit geringer Produktion in einem Jahr, gefolgt von Rekorderträgen im nächsten. Hier nun Zahlen zur Verdeutlichung:
2021/22 : Gesamt = 56 Millionen Säcke (35 Arabica + 21 Robusta) [erwartete Erntemenge - Zahlen vor dem eingetretenen Frost]
Dieser Frost ereignete sich vor dem Hintergrund einer weltweit rasant steigenden Kaffeenachfrage. Einerseits im Zuge der Erholung der Weltwirtschaft nach dem Kollaps der Covid-19 Auswirkungen, andererseits wegen verstärkter Nachfrage des asiatischen Marktes – der bislang typischer Weise Teetrinker war und zunehmend auch auf Kaffee setzt. Das kurbelte die Nachfrage nach Arabica Kaffee deutlich an. “Brasilien produziert fast 25 Millionen 60-kg-Säcke Kaffee. Das sind etwa 25 % des weltweiten Angebots. Ein Frost hat weitreichende Folgen, da er an einem einzigen Tag einen großen Teil der Weltversorgung reduzieren oder sogar ganz vernichten kann. Dementsprechend steigen die Kaffeepreise in der Regel aufgrund der Erwartung einer weltweiten Kaffeeknappheit.”, so coffeeresearch.org
Die Kaffee-Exporteure machen sich derzeit enorme Sorgen um ihre Einkäufe, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie ihre bereits vor ein bis drei Jahren unterzeichnet Lieferverträge einhalten können auf Grund der geringeren Ernte und der ständig steigenden Preise. Sie müssen Kaffee kaufen, aber der Preis ist fast doppelt so hoch als vor ein bis drei Jahren. Da lag der Durchschnittspreis für diese Kontrakte bei 500 bis 600 Reais. Die aktuellen Preise liegen bei über 1.000 Reais.
All das in einer Zeit, in der die Menschen der Anbauländer durch die Pandemie, politischen und wirtschaftlichen Problemen starkt gebeutelt sind. Auch kommt einem zwangsläufig auch der Aspekt des Klimawandels in den Kopf, wobei Frost in Brasilien im Bundesstaat Paraná zu dieser Jahreszeit auch im Jahr 1975 damals einen der größten Kaffeeproduzenten des Landes faktisch auslöschte.
Aktuell wurden die Kaffeeproduzenten Brasiliens erneut vor Frost in den frühen Morgenstunden des 30. und 31. Juli von dem meteorologischen Dienst gewarnt. Die wichtigsten Kaffeeregionen von Minas Gerais wurden in diese Warnung einbezogen, sogar Cerrado und Zona da Mata.
„Der erste sichtbare und weithin beobachtete Hinweis auf Schäden sind verbrannte Blätter und deren anschließender Fall. In den nächsten 15 bis 20 Tagen kann möglicherweise beobachtet werden, ob Pflanzen abgestorben oder nur stark geschädigt sind“, so Daily Coffee News.
Eines muss uns jedoch klar sein – gleichbleibend gute Kaffeequalität
wird in absehbarer Zeit empfindlich teurer werden.