Ethik im Kaffeehandel
Szenenwechsel zu einer beliebigen Kaffeeplantage:
PflückerInnen mit großen aus Bast geflochtenen Körben steigen in den steilen Berghängen hinauf und Pflücken reife Kaffeekirschen von den Kaffeesträuchern. Das feuchte Klima, die Hitze die hochstehenden Sonne, die Steigung und der immer schwerer werdende Erntekorb machen die tägliche Arbeit in den Kaffeeplantagen zu Knochenarbeit. Die PflückerInnen sind im Alter unschätzbar, manche könnten noch minderjährig sein, andere jenseits der 50zig. Und neben den kontrollierenden Männern toben Kinder durch die Plantage, pfeifen, singen und pflücken in der Höhe, wo ihre kurzen Arme hinreichen reife Kaffeekirschen.
Es wirkt für die einen wie Spaß, für die anderen wie Ausbeutung und Kinderarbeit.
Die Situation stellt sich aber komplexer dar als es auf den ersten Blick ist.
Die PflückerInnen werden nach Gewicht entlohnt und die Kinder begleiten Ihre Mutter zur Arbeit. Das Nachahmen ist uns Menschen angeboren - das Kind lernt von den Eltern und hilft wo es kann; das war immer so und wird hoffentlich auch immer so bleiben. Was wir Europäer als verwerfliche Kinderarbeit in die strafbare Ecke der Verpönung stellen, ist seit Generationen in den Ländern des Kaffeeanbaus eine geduldete Grauzone. Die großen Ferienzeiten der Kinder wurde gezielt in die Haupternteperiode der Kaffeeplantagen gelegt, um den Kindern zu ermöglichen bei den Eltern zu sein, wenn die Früchte eingeholt werden.
In den benachbarten Bananenplantagen ein ähnliches Bild, wobei immer eines klar ist - Kinder werden nicht angestellt oder angeheuert um die Ernte einzubringen, sie dürfen nur ihre Mütter begleiten, um nicht alleine zurückzubleiben. Oft gibt es auch bereits Kinderbetreuung von den großen Plantagen, die jedoch von den Kindern abgelehnt wird - sie kennen die anderen Kinder nicht.
Und ich sage Ihnen aus eigener Erfahrung - die Kinder sind glücklich! Ja, aus westlichen Konsumaugen betrachtet haben sie nicht die Markenklamotten der Textilindustrie Asiens, nicht die neue Spielekonsole und nicht das Smartphone wie unsere verwöhnten Kids. Sie sitzen nicht im klimatisierten Kinderzimmer vollgemüllt mit Plastikspielzeug sondern sind in der Natur und sind bis zu einem gewissen Grad "freier" als unsere Kinder. Auch ich habe im elterlichen Betrieb als Kind mitgeholfen, gelernt zu verstehen, Ausdauer und Verständnis für Arbeit entwickelt. Kinder von selbständigen Unternehmern werden mir recht geben, dass sie einen anderen Bezug zu Arbeit entwickeln als andere.
Man muss sich fragen, wo beginnt Kinderarbeit?
Ab wann ist diese verwerflich?
Machen wir einen Blick nach Asien, wo Kinder an den Nähmaschinen sitzen und die Designerklamotten des Westens im Akkord zusammennähen. Wir kennen die Bilder von Kindern, die in Hinterhöfen Schwarzpulver in die Raketen der westlichen Spaßgesellschaft füllen, die im Überfluß bei Champagner und Kaviar die bunten Knallkörper für einen buten Augenblick in den Nachthimmel aufsteigen lassen.
Unsere Welt ist voll von Ungerechtigkeit,
voll von Profitgier und leider auch
voll von falscher Moral!
Kunden fragen uns als Röster nach Bio-Kaffee, Fairtrade-Ware, Zertifikaten und Nachhaltigkeitskonzepten.
Das sind in Wahrheit lauter Schlagworte aus den Medien - leere Worthülsen - nicht mehr!
In unserem Kopf schwirren Bilder von verhungernden Kindern in Afrika, versklavten Näherinnen in Bangladesch und Kindern in Diamantenmienen umher.
Nichts ist beruhigender für das eigene schlechte Gewissen, als die Kaufentscheidung für ein Produkt mit aufgedrucktem Siegel auf der Verpackung!
Papier ist geduldig sagt man, denn die Wahrheit dahinter ist eine andere Geschichte und soll nach Möglichkeit im Dunkeln bleiben.
Wollen wir die Wahrheit überhaupt wissen?
Bleiben wir einmal im Inland: Wenn ein AMA-Gütesiegel für Fleischqualität aus Österreich auch für Angebote gilt, wo Jungtiere nach der Geburt mit enormen Stress nach Afrika verschifft werden, dort aufgefüttert und gemästet werden und zur Schlachtung wieder lebend nach Österreich zurückkehren?
Hier haben die Schlauen und geldgiereigen wieder neue Wege gefunden!
Und solche ausgefuchsten Optimierer und kreativ, schlaue Advokaten wird es immer geben - hier und im Rest der Welt.
Leben wir nicht gerne in der Scheinwelt der Zertifikate und Gütesiegel?
Ist es nicht beruhigend das eigene Gewissen zu belügen?
Kennen wir überhaupt die Kriterien hinter all den Logos?
Wir - Mocca Brasil - wurden als non-profit Handelsagentur im Jahre 1929 gegründet und haben bis heute den schmalen Pfad zwischen Qualitätsbewußtsein und humanitär - wirtschaftlichen Handeln nicht verlassen. Unsere Rohkaffees werden zum Teil über Direct-Trade mit Farmern aus Äthiopien, Costa Rica, Guatemala und Columbien gekauft, aber auch von Kooperativen Brasiliens oder Indiens. Über die Hälfe ist aus zertifiziert biologischem Anbau, etwa 30% sind Fair Trade zertifiziert und wir unterstützen Traceability Projekte. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass Kaffee ein Genußmittel ist, wo der Geschmack im Vordergrund steht und wir uns nicht in ein von Organisationen erdachtes Korsett pressen lassen, wo zwar das Logo aufgedruckt werden darf, aber nur 60% davon enthalten sein muss. Ich bin der Meinung, dass der Käufer das Recht auf die volle Wahrheit hat und wir uns nicht hinter Siegeln verstecken müssen um authentisch zu wirken.
Der Trend der Anbauländer geht in die richtige Richtung. Neue Generationen von Farmern übernehmen die elterlichen Betriebe, verstehen dank Ausbildung und Fortbildung von lokalen und internationalen Organisationen wie zum Beispiel der SCA das Potential ihres Bodens und der Pflanzen. Düngen biologisch, setzten auf biologische Schädlingsbekämpfung, verstehen die Chance von Spezialitätenkaffee der sauber, kontrolliert und bewußt verarbeitet wird und auch höhere Preise erzielt als ein Kaffee für Massenprodukte. Solange wir Kaffee unter € 14,- pro Kilogramm im Regal als Sonderangebot finden, wird der Preisdruck der Großen auf dem Rücken der Ärmsten und die Ausbeutung kein Ende haben - mit und ohne Zertifikat!
Aus meiner Sicht können drei Dinge langfristig betrachtet mehr bewirken als Organisationen in den letzten Jahre bewegt haben:
solide Schulausbildung und Vermittlung von Wissen
Unterstützung in den Bereichen Spezialitätenkaffees und Direktvermarktung
Bewußtseinsbildung der Konsumenten auf Qualität statt Masse
Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung des Autors Josef Sochovsky wider.
Weiterführende Literatur: Spiegel Artikel,
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